Predigt zum Patrozinium St. Martin in Bittenfeld
Am 7.11.2020
Evangelium vom 32. Sonntag im Lesejahr A
Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen
1 Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. 2 Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die Törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, 4 die Klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit. 5 Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. 6 Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf: Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen! 7 Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. 8 Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus! 9 Die Klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es nicht für uns und für euch; geht lieber zu den Händlern und kauft es euch! 10 Während sie noch unterwegs waren, um es zu kaufen, kam der Bräutigam. Die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen. 11 Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! 12 Er aber antwortete ihnen und sprach: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.
Matthäus 25,1-13
Liebe Schwestern und Brüder!
„Ich kenn dich nicht!“ – „Du kommsch hier ned rei!“ welch hartes Wort!
Schon heftig, was wir da im Evangelium zu hören bekommen:
Jesus vergleicht heute, am 23. Sonntag im Jahreskreis das himmlische Reich mit einem Hochzeitsfest.
All seinen Zuhörerinnen und Zuhörern war der Brauch bekannt, wie im Falle einer Hochzeit Mindestens zehn Jungfrauen die Aufgabe hatten, dem Bräutigam entgegen zu gehen und ihn mit Tanzen und Singen ins Haus der Braut zu geleiten. Wegen der Hitze fanden die Hochzeiten ja erst abends statt und weil es nicht selten vorkam, dass der Bräutigam sich verspätete, machten die Lampen durchaus Sinn.
Der Bräutigam im Gleichnis muss sich schon sehr verspätet haben, die Wartenden waren schon eingeschlafen, als endlich mitten in der Nacht der Ruf zu hören war: Auf, auf, der Bräutigam kommt.
Und es durften die mit ihm in den Hochzeitssaal, die da waren, die bereit waren. Dann wurde die Tür verschlossen, auch das war so Brauch, um die Feiernden vor ungebetenen Gästen zu schützen.
Glück für die einen, Pech für die anderen!
Aber – Wo bleibt denn da das Christliche?
Die Grundaussagen der Reich-Gottes-Gleichnisse lauten immer: Gottes Reich bricht an! Seid achtsam, passt auf, denn niemand kennt den Tag oder die Stunde, an dem der Bräutigam kommt.
Auch wir sollen heute Vorbereitet-Sein auf das Kommen des Herrn. Auch heute gibt es scheinbar die Klugen – Männer wie Frauen –, die alles tun, um bereit zu sein – und die anderen, die sorglos dahinleben und darauf vertrauen, dass sie dann schon irgendwie in den Hochzeitssaal hineinkommen werden.
Auch heute kommt es darauf an, achtsam, wachsam und vorbereitet zu sein. Es ist wichtig, immer ausreichend Öl zu haben, denn es könnte sein, dass wir lange warten müssen.
Die Frage, die wir uns also heute stellen könnten, ist die Frage nach diesem Öl – Wovon sollten wir immer genug Vorrat haben, damit wir vorbereitet sind auf das Kommen des Bräutigams?
Vom heiligen Franz von Sales stammt folgender Satz: „Leben ohne Liebe ist sehr viel schlimmer als der Tod“ (DASal 6,75). Das bedeutet: Das Öl, das die Lampen zum Brennen brauchen, ist für Franz von Sales die Liebe: die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten, die Liebe zu sich selbst. „Die Liebe allein bestimmt den Wert unseres Tuns“ (DASal 6,368). Oder „Die Liebe gibt den Dingen ihren Wert“ (DASal 2,319). Das sind weitere, ganz zentrale Sätze im Werk des heiligen Franz von Sales.
Ohne Liebe ist es unmöglich, achtsam, wachsam und bereit zu sein, ohne Liebe ist es unmöglich, den Bräutigam zu empfangen und am Hochzeitsmahl teilzunehmen. Ohne Liebe ist es unmöglich, Jesus nachzufolgen und ein christliches Leben zu führen. Für Franz von Sales ist ein Leben ohne Liebe daher weit schlimmer als der Tod.
Wenn Franz von Sales von Liebe spricht, dann meint er mehr als nur ein romantisches Gefühl. Die heilige Mutter Teresa hat das einmal auf den Punkt gebracht, als sie sagte: „Liebe – das heißt, lieben auch dann, wenn es weh tut“.
Das heißt: Wer liebt, ist bereit, seine eigenen Interessen zurückzustellen, wenn es darum geht, den anderen groß zu machen, den anderen, den Nächsten, Gott, ja und bei Jesus sogar den Feind zu lieben.
Genau diese Liebe sollen wir achtsam bewahren und immer wieder auffüllen, damit wir bereit sind, wenn der Bräutigam kommt.
Und da sind wir auch schon bei dem Heiligen Martin von Tours angelangt, dem Schutzpatron unserer Kirche hier in Bittenfeld, dem Schutzpatron auch unserer Diözese.
Viele kennen von ihm die berühmte Mantelszene, wie er mit einem armen Bettler in eisiger Nacht seinen Mantel teilt und später im Traum erkennt, dass er damit genau das getan hatte, was Jesus unter „Nächstenliebe“ versteht.
In Zeiten der Kälte riskierte Martin Mitmenschlichkeit – und nahm dabei für sein Tun Ablehnung, Unverständnis und sogar eine Bestrafung in Kauf.
Es war wohl um das Jahr 334, als Martin bei der Kaiserlichen Garde in Amiens stationiert war. An einem kalten Wintertag begegnete er am Stadttor einem armen und unbekleideten Mann. Es wird erzählt, dass niemand diesem frierenden Bettler helfen wollte. Alle schauten weg. Alleine Martin ließ sich – obwohl äußerlich „gepanzert“ – berühren.
Er fühlte mit und wandte sein Gesicht nicht ab. Damals trugen die Soldaten über ihrer Ausrüstung einen gut schützenden Mantel. Da Martin außer diesem Mantel nichts bei sich hatte, was er geben konnte, zerschnitt er ihn mit dem Schwert in zwei Teile und gab eine Hälfte dem Armen.
In dieser Szene zeigen sich zwei Lebensweisen, zwei Arten des Menschseins, zwei Möglichkeiten, zwischen denen wir immer wieder zu wählen haben: zwischen Mitgefühl und Gleichgültigkeit.
Mit dem Mitgefühl ist das ja so eine Sache – klar rührt es uns das Herz an, wenn wir die vielen Bilder von Menschen sehen, die auf der Flucht sind, die durch Naturkatastrophen ihre ganze Habe verloren haben, oder ganz aktuell, die durch die Ansteckung mit Covid 19 auf Intensivpflege oder finanzielle Hilfe angewiesen sind. Aber was sollen, was können wir als Einzelne überhaupt tun?
Wo doch im Moment Abstand, Hygiene, Mund- und Nasenschutz, sowie das Vermeiden von zwischenmenschlichen Begegnungen oberste Priorität haben!
Doch auch mit Masken und Abstandsgebot ist Mitgefühl möglich: Beispielweise gab es im Frühjahr das Beifallklatschen oder Musizieren auf Balkonen, für die Leute, die sich für andere in Pflegeheimen, in Krankenhäusern, an der Kasse im Supermarkt, und in so vielen anderen Bereichen engagieren.
Oder auch das Stillwerden und Beten für die vielen Notleidenden beim Klang der Glocken. Aber – reicht das?
Der berühmte Schweizer Psychoanalytiker Arno Gruen sieht gerade im Mitgefühl die Grundvoraussetzung für seelische Gesundheit und gelingendes Leben. Da das Mitgefühl „die in uns eingebaute Schranke zum Unmenschlichen“ ist, ist es als solches zugleich auch Fundament unserer Zivilisation und Demokratie. Wenn Solidarität und Mitmenschlichkeit lächerlich gemacht und in Frage gestellt werden, dann verengt und verhärtet sich das eigene Leben. Engherzigkeit und Egoismus sind die Folgen.
Der Heilige Martin will uns heute Mut zu mehr Mitgefühl machen. Denn in ihm begegnet uns ein Mensch, der stark genug war, Schwäche für die Menschen zu zeigen – inmitten einer Zeit, in der es üblich war, von oben herab auf die Armen zu blicken. In Martin blitzt eine Persönlichkeit auf, die kreativ und mutig das tut, was Nötig ist, ohne sich hinter dem Satz zu verstecken: was kann denn ein einzelner schon ausrichten.
In Martin entdecken wir eine Person, die gerade nicht ärmer wird, weil sie sich in die Haut eines anderen versetzt hat, sondern er gewinnt dadurch an Profil, an Weite, an Zufriedenheit und Wärme!
Weil Martins Denken und Tun von der heilsamen Botschaft Jesu ganz durchdrungen war, konnte er so handeln.
„Wo Gott – der befreiende und aufrichtende, wohlwollende und lebensfreundliche „Ich-bin-da“ – im eigenen Denken, Fühlen und Tun ankommen kann, da erlebt der Mensch eine „Ent-Krümmung“ (W. Kirchschläger).
Als von Gott Bejahte können wir andere bejahen. Als von Gott mit Respekt und Achtung Angesehene – können auch wir anderen Ansehen geben. Wenn wir erfahren, dass Gottes „Ich-bin-da“ wirklich gilt – gerade in dornigen Zeiten und wenn es brennt – dann können auch wir selbst es wagen, „Ich-bin-da“ zu sagen.
Jesus befreit Menschen aus dem Panzer der Angst und aus der Lähmung durch Gleichgültigkeit. Er weitet ihren Blick. Er öffnet ihr Herz. Er macht ihnen Mut, angeregt durch Gott – dem menschenfreundlichen „Ich-bin-da“ – selbst füreinander da zu sein.
Diese anteilnehmende und ganz praktische Menschlichkeit ist Jesus so wichtig, dass er sich selbst mit den Schwächsten und Geringsten identifiziert, gleichsam in deren Haut schlüpft: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)
Einen Tag nach der großherzigen Tat Martins offenbart sich ihm Jesus im Traum daher in einer besonderen Gestalt. Er zeigt sich dem Römer nicht als prachtvoller „All-Herrscher“, sondern als Bettler von Amiens, eingehüllt in die wärmende Hälfte des ihm so großherzig überlassenen Mantels.
Ich wünsche mir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit, dass wir auch so wie Martin zu handeln versuchen: einfühlsam, mutig und von der Angst befreit, etwas zu verlieren oder zu kurz zu kommen, wenn man teilt.
Der heilige Martin hat gezeigt, dass Hilfe und Augenmaß, dass Mitgefühl und Sinn für das Machbare, dass Großzügigkeit und verantwortungsvolles Handeln gut miteinander einhergehen.
Die Liebe allein bestimmt den Wert unseres Tuns! AMEN
Was keiner wagt, das sollt ihr wagen
was keiner sagt, das sagt heraus
was keiner denkt, das wagt zu denken
was keiner anfängt, das führt aus
Wenn keiner ja sagt, sollt ihr's sagen
wenn keiner nein sagt, sagt doch nein
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben
wenn alle mittun, steht allein
Wo alle loben, habt Bedenken
wo alle spotten, spottet nicht
wo alle geizen, wagt zu schenken
wo alles dunkel ist, macht Licht.
(Lothar Zenetti)
Martin wurde um 316/317 in Sabaria geboren, das liegt in Ungarn. Aufgewachsen ist Martin jedoch in Pavia, nicht weit von Mailand entfernt. Als Sohn eines Offiziers war für ihn die militärische Laufbahn vorgegeben, und er trat mit 15 Jahren in die römische Armee ein.
Bereits nach kurzer Dienstzeit wurde er Offizier. Aber Martin sah für sich einen anderen Weg als das Soldatentum. Fasziniert von der Botschaft Jesu, machte er sich auf Spurensuche. Je mehr er von Jesus hörte, umso mehr veränderte er sich. Das hatte auch für sein berufliches Leben Konsequenzen: Er suchte nach einer Lebensweise, die mit dem Glauben an Christus vereinbar war.
Vor einer Schlacht gegen anrückende Germanen in der Nähe von Worms verweigerte Martinus als Offizier des römischen Besatzungsheeres den Dienst. Der Austritt aus dem römischen Heer wurde ihm lange verweigert. Erst im Jahr 356 – mit 40 Jahren und nach Ableistung seiner 25-jährigen Dienstzeit – wurde er schließlich von Kaiser Julian aus dem Heeresdienst entlassen.
Sechzehn Jahre später, am 4. Juli 372 erhielt Martin die Bischofsweihe. Trotz dieses hohen Amtes lebte er weiterhin bescheiden und wohnte lieber – wie es seinem mönchischen Ideal entsprach – in den Holzhütten vor der Stadtmauer als in der Stadt Tours selbst. Am 8. November 397 starb Martin im Alter von 81 Jahren. Er wurde am 11. November in Tours unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.
Fürbitten am 07.11.2020 St. Martin, Bittenfeld, Patrozinium
Guter Vater, in den Heiligen hast du uns Vorbilder für unser Leben als Christen geschenkt. An ihrer Lebensweise können wir ablesen, was es heißt, heilig-mäßig und heilsam zu leben. Durch Christus sind wir mit ihnen verbunden und bitten:
- Für alle christlichen Kirchen, dass wir es schaffen, deine frohe Botschaft so zu verkünden, dass die Menschen wieder Hoffnung spüren können
- Wir bitten dich, erhöre uns
- Für die Mächtigen dieser Welt, dass sie bei ihren Entscheidungen die Würde und Freiheit aller Menschen im Blick haben und sich für friedliche Lösungen einsetzen.
- Wir bitten dich, erhöre uns
- Für unsere Diözese und alle, die sich vom Beispiel des Heiligen Martins anstecken lassen, dass ihre Hilfe ankommt und den Betroffenen Heil bringt.
- Wir bitten dich, erhöre uns
- Für alle, die für ihre Mitmenschen ihre Nerven, ihre Kraft, ihre Zeit, ja manchmal auch ihr Leben einsetzen: schenke Ihnen Ausdauer und segne ihr Tun.
- Wir bitten dich, erhöre uns
- Für alle Notleidenden, zeige uns, wie wir sinnvoll helfen können und gib uns Mut zum Teilen.
- Wir bitten dich, erhöre uns
- Für unsere Gemeinde: Mach unser Leben zu einem Licht, das den Menschen in Not leuchtet.
- Wir bitten dich, erhöre uns
Allmächtiger Gott, du hast den heiligen Martin von Tours zu einem leuchtenden Vorbild der Christen gemacht. Lehre uns, seinem Beispiel zu folgen. Dir sei Dank und Ehre, jetzt und alle Tage unseres Lebens. AMEN